Der Zustand der Straßen des Northern Territory ist vergleichbar mit der Verkehrsinfrastruktur von Ländern in der Dritten Welt. Während in anderen Bundesstaaten in Australien ein wesentlich höherer Prozentsatz der Straßen asphaltiert ist, liegt das Northern Territory deutlich unter dem nationalen Durchschnitt.
Von den 35.725 km des Straßennetzes im Northern Territory sind gut 25 Prozent befestigt, womit der Bundesstaat im internationalen Vergleich knapp vor Sambia und Eritrea, aber hinter Togo, dem Senegal oder Afghanistan liegt.
Für Ministerpräsident Adam Giles hinke das Northern Territory in dieser Beziehung dem Rest Australiens 150 Jahre hinterher. Im landesweiten Durchschnitt sind immerhin etwa 43,5 Prozent der Straßen asphaltiert.
Auch der Verkehrsminister des Northern Territory, Peter Chandler, zeigt sich nicht zufrieden mit dem Zustand der Verkehrsinfrastruktur und bezeichnet die Tatsache, dass das Straßennetz in seinem Bundesstaat gleichauf mit denen von Entwicklungsländern liegt, als “absolut beschämend”.
Chandler wirft der Regierung in Canberra vor, dass sie bei der Entscheidung über Fördergelder für Infrastrukturprojekte nur die Kriterien des Verkehrsaufkommens und der Zeitersparnis heranziehen würde und daher so gut wie ausschließlich Projekte in den großen Städten gefördert würden, während man über abgelegene Straßen hinwegsehen würde.
Das “Develop the North” Programm könne laut Chandler nicht funktionieren, wenn nicht auch entsprechendes Geld in das Northern Territory fließe.
Außerdem dürfe man die Straßen im Northern Territory nicht bloß auf den Transport beschränken, sondern müsse sie auch aus ökonomischer Perspektive betrachten, so Chandler weiter.
Die Menschen würden aufgrund der Unbefahrbarkeit mancher Straßen während der Regenzeit weder ihren Arbeitsplatz, noch ihre Ausbildungsstätte oder ihren Arzt erreichen.
“Die Modelle, die in Canberra entwickelt werden, funktionieren bei uns nicht. Die Tanami Road ist mehr als eine Straße”, so der Verkehrsminister.
Auch Jack Archer, Chef des unabhängigen Think Tanks des Regional Australia Institutes, spricht sich für eine Verbesserung des Straßennetzes aus: “Das muss besser werden als im Augenblick, wo alle Abgaben und Straßensteuern in die generellen Einnahmen fließen und an anderer Stelle des Straßennetzes wieder ausgegeben werden oder sogar überhaupt nicht in die Straßensanierung reinvestiert werden.”
Laut Archer solle sich die Regierung bei der Entwicklung der Infrastruktur nicht nur auf die großen Städte, sondern auf alle 31 Städte in Australien mit mehr als 50.000 Einwohnern konzentrieren.
Die Politiker ließen sich jedoch viel zu oft von wahltaktischen Erwägungen leiten, da die Metropolen des Landes schlichtweg auch mehr Wählerstimmen bedeuteten.
“Ich denke, so wie es jetzt läuft, haben wir schlechte Aussichten für Infrastrukturmaßnahmen in ländlichen Gegenden”, so der Chef des Regional Australia Institutes resignierend.
Stadtplaner Julian Bolleter von der University of Western Australia warnt vor immer größer werdenden Metropolregionen an den Küsten mit sinkender Lebensqualität.
Bolleter fordert daher eine neue Priorisierung von Infrastrukturprojekten im Land: “Eine maßgebliche Dezentralisierung der Bevölkerung kann ohne Investitionen oder Anreize, in ländliche Gebiete zu ziehen, nicht funktionieren.”
Ob all diese Einwände die Regierung jedoch tatsächlich dazu bringen werden, künftig verstärkt auch ländliche Verkehrsinfrastrukturprojekte im Northern Territory zu fördern, darf stark bezweifelt werden.
Zum einen hat das gering besiedelte Northern Territory nur rund 240.000 Einwohner, Sydney allein hat im Vergleich dazu schon 4,5 Millionen. Da Maßnahmen in der Verkehrsinfrastruktur teuer sind und aus Steuergeldern finanziert werden, werden sie auch in Zukunft dort realisiert werden, wo möglichst viele Menschen davon profitieren können.
Zum anderen dürften diejenigen Bewohner des Northern Territory, die täglich auf den unbefestigten Straßen unterwegs sind, ohnehin einen Wagen mit Allradantrieb besitzen und daher nicht auf eine Asphaltierung angewiesen sein.
Straßen wie die Tanami Road sind zudem nur sehr wenig befahren und sind gerade wegen der fehlenden Asphaltierung besonders bei Touristen beliebt, die hier mit ihrem Geländewagen das urtümliche Australien und ein richtiges “Abenteuerfeeling” erleben wollen.
Es ist auch fragwürdig, ob ein paar mehr asphaltierte Straßen wirklich mehr Menschen in die Region locken würden. Dafür bedarf es eines umfassenderen Gesamtkonzeptes für die Region, das neben der Infrastruktur auch gute Job- bzw. Ausbildungschancen und ausreichend Freizeitangebote garantiert.
Solange ein solches übergeordnetes Konzept fehlt, wird sich am “Dritte Welt Status” des Straßennetzes im Northern Territory auf absehbare Zeit wohl wenig ändern.
Quelle: news.com.au
© Fotos: Tourism & Events Queensland
Schreibe einen Kommentar