Lernen ohne zu verstehen ist für viele Aborginal-Kinder in Australiens Northern Territory Alltag. Aufgewachsen in ihren indigen Gemeinschaften, kommen viele Kinder in die Schule, ohne Englisch zu sprechen. Die Nachteile, die die jungen Menschen erfahren sind für viele dramatisch und emotional belastend. Eigentlich sollte ein von der Regierung gefördertes Bildungsprogramm Abhilfe schaffen, um Kindern vor allem im Fach Mathematik das Leben zu erleichtern – doch seit 1991 wird auf die bilingualen Programme immer weniger Wert gelegt.
Für viele Kinder ist Mathematik kein leichtes Spiel. Nur durch viel Übung und ständige Wiederholung werden komplizierte Konzepte greifbar und verständlich – und selbst dann ist das Verstehen oft sehr von der einzelnen Person abhängig, von Unterrichtskonzepten, den Lehrern und der Zeit. Wie oft hört man, dass die Grundsteine der Mathematik den Weg zu analytischem Denken ebnen und die Wichtigkeit dieser Grundlagen nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf.
Die Realität in den Klassenzimmern im Northern Territory sieht allerdings anders aus. Nicht selten kommt es vor, dass Yolngu-Kinder eingeschult werden und absolut frustriert sind – sie fühlen sich dumm. In diesem Fall liegt es aber weniger an ihrer Intelligenz als an ihrer mangelnden Fähigkeit, das Erklärte auf linguistischem Level zu verstehen. Die Kinder verstehen die Sprache ihrer Lehrer nicht. Sie sprechen kein Englisch, denn bevor sie in die Schule kamen, war dies oft nicht nötig. Ergo: Rechnen lernen ist für die Kinder so gut wie unmöglich.
Vor vielen Jahren wurde ein neues System geschaffen, mit dem die Kinder über ihre Muttersprache langsam zur westlichen Kultur und vor allen Dingen zur englischen Sprache geführt werden. Ein System, das ihr Selbstwertgefühl nicht bereits am ersten Schultag zerstört, sondern ihre eigene Kultur berücksichtigt und ihnen das westliche Rechen- und Zahlensystem auf für sie verständliche Art und Weise näher bringt. Das Yirkalla-Programm wurde eingeführt, dass die abstrakte indigene Kultur der Kinder nutzt, um ihnen Rechnen beizubringen.
Familiennamen werden in vielen indigen Kulturen in bestimmten und immer wiederkehrenden Abständen vergeben. Zum Beispiel werden die Namen mit Zahlen verbunden, um den Kindern das Zählen bis 10 beizubringen. Die Philosophie des Yirkalla-Programms versteht sich darin, den Kindern beizubringen, dass Zahlen keine abstrakten Konzepte, sondern mit Realität, bestimmten Orten oder Personen vergleichbar sind. Exkursionen erlauben es den Kindern bis heute, auf ihre eigene Art und Weise Mathe zu lernen, ob beim Schildkrötenzählen oder Ausmessen von herumliegendem Müll auf einer Farm.
Die Meinungen scheiden sich enorm über die Effektivität dieses bilingualen Systems. Und auch der Mangel an finanziellen Mitteln scheint über die letzten Jahre ein immer größeres Thema zu werden. Doch wie soll ein Kind eine Matheaufgabe lösen, wenn es sie nicht einmal versteht? Wie sollen indigene Kulturen bessere Bildung erhalten, wenn ihnen ihre eigene Sprache im Weg steht? 40 Prozent aller Kinder im Northern Territory sprechen Englisch nicht als ihre Muttersprache. „Sie werden gerade erst Englischsprecher!“, erzählt Kathy McMahon in einem Interview mit ABC. Gerade in der Mathematik können Kinder so ihre eigenen Stärken und ihr Wissen wenig unter Beweis stellen, denn Prüfungen finden in Englisch statt und Lehrer dürfen nicht übersetzen.
Auch mithilfe von speziellen Programmen für die Ureinwohner Australiens gestaltet es sich weiterhin als äußerst schwierig, Aboriginal-Kinder in die westliche Welt zu integrieren. Lösungen für dieses und weitere linguistische Probleme scheinen weiterhin wenig kalkulierbar – wie auch?
Quelle: www.abc.net.au
© Foto: Tourism Western Australia
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