Australien 6. Oktober 2019 – Unfall – „Tram entgleist in Melbourne“: Mal wieder heißt es in den australischen Eilmeldungen, die Tram verursache zu viele Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern. Doch vielleicht muss man einen Schritt aus dem Medienwirrwarr zurücktreten, um die Vorteile und den Erfolg zu sehen, den das weltgrößte Straßenbahnnetz mit sich bringt.
Drei Viertel des 245 Kilometer langen Schienennetzes teilen sich die Melbourner Trams mit weiteren Kraftfahrzeugen. Durch jährlich über 205 Millionen Passagiere, die an 1813 verschiedenen Haltestellen täglich ein- und aussteigen, kam es schon zu größeren und kleineren Vorkommnissen, aber auch zu Unfällen mit fatalen Folgen. Die häufigste Ursache ist dabei eindeutig die mangelnde Achtsamkeit der Straßenverkehrsteilnehmer, wozu sowohl Fußgänger als auch Fahrzeugführer, Tramfahrer und Passagiere gehören.
Gerade erst Anfang Oktober 2019 kam es zum Zusammenprall zwischen einem Auto und der Tram 109, die folglich entgleiste und im Vorgarten einer Anwohnerin stoppte. Zwar wurde – bis auf 21 Personen mit leichten Kopfschmerzen oder Prellungen am Rücken – niemand schwer verletzt, jedoch war dies bereits die dritte Kollision dieser Bahn (2013, 2016 und 2019) in den letzten Jahren.
Dabei hat die Tram 109 nur zu einen kleinen Teil der insgesamt über 1650 Fälle beigetragen, die im vergangenen Jahr 2018 an die Transport Safety Victoria (VSC) gemeldet wurden.
Große Zahlen verursachen große Panik – Zahlen und Fakten
Teilt man die Gesamtbilanz der Unfälle 2018 auf 365 Tage im Jahr auf, erlangt man durchschnittlich 4,5 Ereignisse täglich. Was sich zunächst viel anhört, sieht ganz anders aus, wenn man sich einen Überblick über die Situation verschafft:
Die vermeintlich böse klingenden Unfälle, die pflichtgemäß der VSC gemeldet werden, beinhalten nämlich auch „alltägliche und humane Missgeschicke“. Beispielsweise wird der Armbruch eines Passagiers, der durch das Stolpern über den eigenen Schnürsenkel beim Betreten der Tram verursacht wurde, gemeldet. Außerdem kann man in den letzten Jahren sogar einen Rückgang im Bereich der schweren Verletzungen mit stationärem Aufenthalt erkennen (Statistik VSC: 2016 – 69 Personen/ 2018 – 55 Personen).
Andererseits kam es bei der VSC zu einem drastischen Anstieg von Unfällen in den Kategorien „Stürze in der Tram“ (Statistik VSC: 2016 – 285 Personen/ 2018 – 330 Personen) und „Stürze zwischen Bahnsteig und Tram“ (Statistik VSC: 2016 – 68 Personen/ 2018 – 104 Personen).
Diesen Wandel könnte man durch unachtsames Verhalten der Passagiere erklären: Dazu gehört unter anderem vermutlich diejenige Generation, die ihre Multitasking-Fähigkeit – mit dem Kopf auf den Bildschirm gerichtet – gerne mal überschätzt.
Die kostenlose Tram als Touristen-Magnet
Zu diesen eindrucksvollen Zahlen trägt vermutlich auch die „Free Tram Zone“ bei, die oft von Touristen überfüllt ist, jedoch der Stadt seit 2015 eine große Last abnimmt. Auch die Stadtbewohner und vor allem die Touristen scheinen von der kostenlosen Strecke im Bereich des Stadtzentrums wie von einem Magneten angezogen zu werden.
Diese erfolgreiche und sinnvolle Idee der Stadt bringt gerade zu Zeiten, in denen der Klimawandel oft im Mittelpunkt steht, ein positives Feedback mit sich:
Durch weniger Pkws auf den Straßen verbessert sich die Luft, es kommt zu weniger Autounfällen und der Straßenverschleiß ist geringer. Die Straßen müssen folglich seltener saniert werden und die Stadt spart Geld. Auch ist kein Lohn mehr für die dadurch wegfallenden Kontrolleure nötig und vor allem fallen die kostspieligen Strafverfahren gegen Schwarzfahrer weg.
Wo viel los ist, passiert auch viel
Durch den starken Anstieg an Trampassagieren in Melbourne sind Wagons oft überfüllt oder Personen rempeln sich schneller an. Man kann feststellen: Wo viel los ist, passiert auch viel.
Im Hinblick auf die positiven Auswirkungen auf die VSC, den Straßenverkehr, die Stadt, die Umwelt und auf das Portemonnaie der „Touris“ ist das mediale Drama um das wichtigste Verkehrsmittel der Weltstadt wohl eher unrechtmäßig.
Trotz dessen kommt es allen Beteiligten zugute, dass die VSC Statistiken führt und stets nach Verbesserungen strebt.
Quellen: News.com.au, railsafety.vic, blogs.taz
© Fotos: S. Hopf
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