Auf unserem Blog haben wir euch bereits über die Hintergründe des Anzac Days und Melbourne Cups informiert. Nun rückt ein weiterer, bedeutungsschwerer Tag Down Unders in greifbare Nähe – der Australia Day! Dabei handelt es sich nicht nur um den Nationalfeiertag Australiens sondern auch um einen von Zwiespalt begleiteten Tag.
Worauf gründet der Australia Day?
Mitte des 18. Jahrhunderts begann das britische Empire, Sträflinge in ihre entfernte Kolonie Australien zu entsenden. Beinahe pünktlich zu Neujahr, am 18.01.1788, erreichten die elf Schiffe der First Fleet unter Kapitän Arthur Phillip Botany Bay; an Bord rund 700 Strafgefangene, 200 Soldaten samt Kind und Kegel und eine Arche Noah Version an Nutz- und Genusstieren. 24.000 Kilometer Kreuzfahrt lagen hinter ihnen. Ein Feuerwerk gab es keines. Stattdessen ein neues Leben aus dem Nichts heraus. Die meisten Gefangenen büßten für Delikte wie Viehdiebstahl, Brandstiftung oder Prostitution ein.
Australien wurde eine Klärgrube Englands, so der Brisbane Courier Ende des 19. Jahrhunderts. Botany Bay stellte sich schon bald als ungeeignete Stelle für eine Siedlung heraus. Eine Bucht weiter fand die Flotte schließlich Port Jackson – wohl einer der traumhaftesten Naturhäfen der Welt. Der Namensgeber der neuen Siedlung war leicht gefunden: der englische Lord Sydney, seinerzeit Home Secretary (Innenminister) des britischen Mutterlandes. Von Sydney Cove aus wurde das neuzeitliche “Australien” begründet. Geankert wurde hier erstmalig am 26. Januar 1788.
Bereits in den ersten Jahren der Kolonie begangen die europäischen Siedler den 26. Januar mit Dinnerpartys oder kleinen Zeremonien. Die erste offizielle Feier inklusive 30 Salutschüssen hielt Gouverneur Macquarie zum Jubiläum 1818 ab. Noch hieß das alles „Foundation Day“ oder „Anniversary Day“. Der Januartag blieb eine New South Wales Party; die anderen Kolonien wie Victoria und South Australia bevorzugten ihren eigenen Gründungstag. Erst der allmählich einziehende Patriotismus verlangte nach einem gemeinsamen Gedenktag. 1935 setzte sich schließlich landesweit die Bezeichnung Australia Day für den 26. Januar durch. Doch erst seit 1994 ist der Australia Day der Nationalfeiertag Down Unders.
Wie wird der Australia Day heute gefeiert?
Der Australia Day fällt in den Hochsommer. Es ist ein geselliger Tag, der zumeist unter Freunden oder in Familie vor der Haustür begangen wird. Wimpel und Fahnen zieren die Gebäuden und Autos, Parks und Vorgärten ersticken im Qualm der Barbecues, der Bierkonsum schießt in die Höhe, der Strand gehört den Surfbrettern und Lifeguard-Aktivisten, aus den Städten ertönen Bassklänge – ein typischer Australia Day heute. Nebenbei werden die offiziellen Akte begangen: das Hissen der Flagge, bedeutungsschwere Reden, das Singen der Nationalhymne, die Verleihung des Australian of the Year Award und die legendäre Regatta im Hafen von Sydney. Nebenbei spielt ein berühmter Radiosender die “heißesten” 100 Songs des Jahres, sogenannte Raffles (Tombola) versprechen große und kleine Gewinne, Paraden, Sportveranstaltungen und Ausstellungen in den Städten runden das Angebot ab. Abends übertragen Fernsehsender schließlich die Feuerwerke in Sydney, Melbourne & Co.
Warum ist der Australia Day von Kontroversen begleitet?
Mit dem Australia Day “zelebriert” man einen Tag, der auf den 2. Blick für viele Menschen Verlust und Tod einläutete und auf eine Vergangenheit Bezug nimmt, die selbst nicht sonderlich beliebt ist.
Die Ursprünge als Strafkolonie sind den einen peinlich, den anderen erfüllen sie mit Stolz. Die europäischen Sträflinge bzw. Siedler haben das Land lebend erreicht und aus dem Nichts heraus eine Nation aufgebaut. Unter den widrigsten Umständen. In mühevoller Kleinarbeit. Das Leben in der Kolonie war hart, eintönig und entbehrungsreich. Sie legten die Wurzeln für das, was Australien heute ist – ein medial verherrlichtes Paradies mit stetigen Einwanderströmen. Ohne Frage ein Grund zum Feiern!
Doch 1788 hatte eine entscheidende Kehrseite: die Europäer von damals stahlen Land, ließen Kleinkriminelle fernab Familie und Heimat im Exil leben und vertrieben die Ureinwohner. Bis 1788 lebten zwischen 350.000 und 1 Mio. Aboriginals friedlich auf den Kontinent. Sie unterteilten sich in nicht weniger als 350-700 unorganisierte Stämme und sprachen etwa 250 verschiedene Sprachen. Mit der britische Besitznahme Australiens nach dem “terra nullius”-Prinzip verloren viele Ureinwohner nicht nur ihr Leben, sondern jegliches Recht auf ihr traditionelles Land und damit ihre Wurzeln. Die Integrationsprobleme dauern bis heute an.
Als zum 150jährigem Jubiläum der Einzug der First Fleet und das Hissen des Union Jack nachgestellt wurde, begingen einige hundert anwesende Aboriginals den Tag als „Day of Mourning“ – Tag des Klagens. Die 200-Jahr Feier 1988 verlief nicht viel anders. Für die einen ein Fest, für die anderen Herzschmerz. Erneut lief eine rekonstruierte Flotte in den Hafen von Sydney ein, während Prinz Charles und Diana in die Kamera winkten. 40.000 Ureinwohner und Anhänger demonstrierten zeitgleich gegen den Diebstahl ihres Landes und die anhaltende Unterdrückung bzw. Ignoranz ihnen gegenüber. Vielleicht waren es die jährlichen Unruhen, die Australien erst 1994 dazu bewogen, den Australia Day offiziell als Nationalfeiertag einzuführen.
Ohne Frage ist das, was die ersten Generationen Down Under vollbracht haben, das kollektive Anstoßen wert. Nur denkt man genauer darüber nach, dann bekommt das Prost-Getränk einen bitteren Beigeschmack. Die Ursprünge, auf die man im Vergleich zu späteren Leistungen eben nicht so stolz ist, mit einem Nationalfeiertag hoch leben zu lassen, erscheint irgendwie absurd. Wer einmal die Denkmäler und Feierlichkeiten des Anzac Days erlebt hat, kann bestätigen, dass jener Feiertag im April mit deutlich mehr Stolz und weniger Skepsis begangen wird.
Denn wenn selbst eine Supermarktkette wie Aldi oder BigW gedruckte T-Shirts mit dem Label “Australia EST. 1788” anlässlich des Australia Days wieder aus dem Sortiment nehmen muss, um rassistischen Vorwürfen entgegen zu treten; viele andere jedoch diesen Schritt als Heuchelei gegenüber der eigenen Geschichte empfinden, dann stellt sich die Frage nach dem nationalen Rückhalt dieses Feiertages. Wann fängt Respekt an und wo hört Patriotismus auf?
Letzten Endes griff man mit dem Australia Day auf bestehende Traditionen zurück. Zwar halten die Debatten bezüglich einer Alternative des Datums an, doch ein Umdenken hat eingesetzt: Mittlerweile wird am Australia Day weniger der Einzug der First Fleet und die Errichtung der Strafkolonie zelebriert, sondern vielmehr die Begründung Australiens als Einwanderungsland. Die Integration der Geschichte der Ureinwohner und die Auseinadersetzung mit ihr hat dabei einen großen Stellenwert eingenommen.
© Fotos: Reisebine
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