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Kann Nemo bald in Kohle baden? – Australien spielt mit seinem Image

Die Zeichen sind alarmierend – allein in der letzten Woche schaffte es Australien gleich durch zwei eher unrühmliche Anlässe in die deutschen Medien.
  

Abfallentsorgung im Weltnaturerbe  

“Great Barrier Reef soll Müllkippe werden” Süddeutsche Zeitung

Was zunächst polemisch klingt, ist in der Tat eine Wiedergabe von Tatsachen.

Am vergangenen Freitag stimmte die Aufsichtsbehörde des Great Barrier Reef Marine Parks offiziell den Plänen eines Konsortiums zu, den Abhub einer Tiefwasser-Kohleförderung direkt im Meer zu entsorgen. Besonders brisant: Die Stelle befindet sich nicht hunderte Meilen weit im Ozean, sondern nur in ca. 70 Kilometern Entfernung zum einzigartigen Weltnaturerbe, der Heimat von seltenen Korallen, Schildkröten und auch den akut vom Aussterben bedrohten Dugongs (Seeschweine).

Widerstand regt sich nicht nur in Teilen der besorgten Bevölkerung und ohnehin schon sensibilisierten Interessengruppen wie Greenpeace, sondern auch seitens der UNESCO, die erstmals 2012 ankündigte, das Great Barrier Reef auf die Liste “Welterbe in Gefahr” zu setzen, falls keine Schutzmaßnahmen eingeleitet werden. Während an der australischen Ostküste eher langfristige Folgen menschlicher Eingriffe für Flora und Fauna zu erwarten sind, sieht die Bedrohung für einige Meeresbewohner im Westen Australiens sehr konkret aus.
  

Haie zum Abschuss freigegeben

 “Massendemos in Australien: Lasst die Haie leben” Spiegel Online

Hintergrund ist eine Entscheidung der Regierung des Bundesstaats Western Australia: Haie ab einer Länge von 3 Metern, die in weniger als 1000 Metern Entfernung zur bewohnten Küste entdeckt werden, dürfen gejagt und abgeschossen werden. Die Regierung begründet dieses Vorgehen mit einer Häufung von Hai-Attacken auf Menschen an der Westküste Australiens. Betroffen sind dabei vor allem Bullenhaie und Tigerhaie, aber auch der auf der Artenschutzliste stehende Weiße Hai. Wer glaubt, dass diese Lizenz zum Töten nun Erleichterung in der australischen Bevölkerung auslöst, der irrt gewaltig.

Am vergangenen Wochenende fanden sich spontan auf verschiedenen Kundgebungen in Perth und Sydney insgesamt mehr als 10.000 Menschen zusammen, um gegen das Abschussrecht zu protestieren. Unter dem Hashtag #noWAsharkcull findet man zudem auf Twitter und Facebook zahlreiche empörte Aufrufe von Usern und Organisationen, dem Phänomen von Hai-Angriffen eine wissenschaftliche und angemessene Lösung entgegenzubringen.
  

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Die Problematik scheinbar unüberlegter Eingriffe in die Natur Australiens sehen viele Kritiker zudem als ein erstes Resultat der konservativen und fast ausschließlich an wirtschaftlichen Aspekten interessierten australischen Regierung unter der Führung Tony Abbots. Dieser konnte bezüglich der Vergehen an Haien und Korallen jedoch erfolgreich auf die jeweiligen Bundesstaaten Queensland und Western Australia verweisen, denen in beiden Fällen die endgültigen Entscheidungen oblagen.
    

Abholzung auf Tasmanien 

Woran Tony Abbot jedoch volle Verantwortung trägt, ist der kürzlich bekannt gewordene Antrag der australischen Regierung an das UNESCO-Komitee, einen 74.000 Hektar großen Abschnitt geschützten Waldbereich auf der Insel Tasmanien roden zu dürfen. Eine Vielzahl an seltenen Eukalyptusarten findet man in diesem Waldgebiet, das nicht zuletzt aufgrund des einzigartigen Regenwalds als geschütztes Weltnaturerbe gelistet ist. Tasmanien gilt zudem als der Ort mit der saubersten Luft auf der Erde, ein Prädikat, das sich mit massiven Baumrodungen in Gefahr bringt.
  

Die tasmanische Wildnis© Foto: Reisebine

 
Abbot ist bekannt als konservativer Hardliner und punktete im Wahlkampf 2013 vor allem mit seiner strikten Einwanderungspolitik aber auch mit vielen Eingeständnissen gegenüber derheimischen Wirtschaft zu Lasten einer nachhaltigen ökologischen Entwicklung. So strich er kurz nach seinem Amtsantritt die umstrittene CO2-Emissionssteuer für die Industrie ebenso wie die staatlichen Förderungen zur Entwicklung alternativer Energien. Auf dem Klimagipfel im November 2013 in Warschau erschien erst gar kein Vertreter der australischen Regierung und schockierte damit die Weltöffentlichkeit.

Während es also am Great Barrier Reef zukünftig nur noch um die Kohle geht und dabei die Gefahr besteht mit Schlamm und Gestein, Teile eines einzigartigen Ökosystems zu zerstören, tut sich das Tourismusland Australien mit schlechten Schlagzeilen jetzt schon keinen großen Gefallen. Der Disney Animationsfilm “Findet Nemo” zeigte der ganzen Welt, dass die australische Küste voll buntem Leben steckt. Nun sieht es so aus, als würden neben einer Reihe Investoren auch Nemo und Co. bald in Kohle baden können.
   

Warnschilder am Strand bei Perth, Western Australia© Foto: Reisebine

 
Freundliche Haie gibt es laut der Regierung Westaustraliens auch nur im Trickfilm, obwohl längst bekannt ist, dass sich die Zahl der Übergriffe von Haien auf Menschen proportional zur Bevölkerungsdichte und der Beliebtheit von Wassersportarten verhält. Man sollte also immer daran erinnern, dass nicht Haie in unser Territorium eindringen, sondern umgekehrt.

Im Vergleich: Haie töten durchschnittlich 12 Menschen pro Jahr, Menschen die gleiche Anzahl an Haien in einer Sekunde. Argumente hin oder her, die australische Bevölkerung scheint im Moment die ersten Früchte konservativer Politik zu tragen, wenn auch nicht von oben entschieden, dann aber mit Rückendeckung einer Regierung, die das Wohl der Wirtschaft entschieden über das Wohl einer reichhaltigen Natur stellt.

Es bleibt abzuwarten, ob die Stimmung auf dem roten Kontinent angesichts massiver Eingriffe in erhaltenswerte Ökosysteme zunehmends kippt. Auch die Außenwirkung von Australien als Reiseland erscheint wenig positiv, wenn Besuchern klargemacht wird, dass Holz und Kohle wichtiger sind als Natur und Vielfalt.


© Fotos: Reisebine

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Konrad Langer

Nachdem Konrad im Sommer 2010 erfolgreich sein Soziologie-Studium an der Uni Leipzig beendete, reiste er für acht Monate durch Australien. Angetan von Land und Leuten wollte er sich nach seiner Rückkehr weiterhin mit dem fünften Kontinent beschäftigen. Seit Anfang 2012 wohnt Konrad in Berlin und arbeitete bis Mitte 2015 bei Reisebine als Online-Redakteur.

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