Melbourne kämpft mit steigenden Zahlen von Obdachlosen und Bettlern. Schätzungen von Hilfsorganisationen besagen, dass bis zu 30% der Bettler in Melbournes Straßen junge Reisende aus Übersee sein könnten.
Australien ist das Traumland unzähliger junger Backpacker. Brendan Nottle, Major der Salvation Army (Heilsarmee) in Melbourne kritisierte nun öffentlich eine der weniger bekannten Begleiterscheinungen des boomenden Tourismus. Bis zu einem Drittel der Bettler in Melbournes Central Business District seien junge Touristen aus Europa. Das öffentliche Bitten um Geld sei in diesen Fällen weniger von echter Bedürftigkeit geprägt, als von der Hoffnung, die eigene Reisekasse aufzubessern. Die meisten der hauptsächlich männlichen touristischen Bettler unter 30 auf Melbournes Straßen, stammten aus Deutschland und Schweden, so Nottle weiter.
“Manche dieser internationalen Backpacker reisen mit sehr eingeschränktem Budget, und so kommt es zustande, dass sie es in Ordnung finden, öffentliches Betteln als zusätzliche Einnahmequelle zu verwenden. Brendan Nottle, Major, Salvation Army Melbourne
Melburnians seien von Natur aus hilfsbereit, sagte Nottle. Er riet dennoch davon ab, Bettlern Geld zu geben und empfahl stattdessen, Bedürftigen eine warme Mahlzeit zu kaufen. Um Geld zu betteln ist im australischen Bundesstaat Victoria verboten und kann zu Geldstrafen führen. Darunter fallen auch Straßenmusik und der Verkauf von Kunst oder Schmuck, so lange keine entsprechende Lizenz vorhanden ist. In einer Reaktion zeigte Melbournes Bürgermeister Robert Doyle sich wenig begeistert.
“Touristen wissen möglicherweise nicht, dass das Betteln in Victoria illegal ist. Es ist wichtig, dass wir mit ihnen kommunizieren und sie zu den Dienstleistungen die sie benötigen weiter vermitteln.” Robert Doyle, 1. Bürgermeister von Melbourne
Außerdem kann Bettelei im schlimmsten Falle zu einer Ausweisung aus Australien führen. Inhaber eines Working Holiday Visums müssen auf Nachfrage eine ausreichende Reisekasse nachweisen können. Die australische Einwanderungsbehörde sieht das Reisen als Hauptzweck des “Working Holiday”-Visa-Programms. Mit dem Visum ist das Geldverdienen in ordnungsgemäß angemeldeten und steuerpflichtigen australischen Jobs zwar erlaubt, sollte aber nicht Hauptzweck des Australien-Aufenthaltes werden.
Bereits 2013 schrieb der Irish Independent davon, dass Suppenküchen in Perth zunehmend irische Backpacker mit kostenlosen Mahlzeiten versähen. Auch in Melbourne wird nun von Backpackern berichtet, die sich bei der kostenlosen Essensausgabe an Obdachlose in die Schlange mogelten. Mit dem stetigen Zustrom von Backpackern nach Australien ist es nicht weiter verwunderlich, dass das “budgetbewusste Reisen” unter einigen – wenigen! – schwarzen Schafen bizarre Blüten treibt.
Wie in Deutschland auch sind Tafeln, Suppenküchen und Hilfsorganisationen in Australien wichtige Anlaufstellen für diejenigen, die durch die Maschen des sozialen Netzes fallen. Als knauseriger Backpacker darauf zurückzugreifen ist nicht nur unfair, sondern erschreckend rücksichtslos und undurchdacht. So hilfsbereit und freundlich Australier auch sein mögen, so schlecht ist mittlerweile der Ruf der schwarzen Schafe unter den internationalen Backpackern.
Es mag einfach erscheinen, sich sein Geld in der Fußgängerzone zu “erschnorren”, statt es sich mühsam in einem Backpackerjob zu erarbeiten. Doch schadet man langfristig mit einer solchen Einstellung nicht nur wirklich Hilfsbedürftigen, sondern auch dem Ruf aller jungen Touristen in Australien. Fair ist das nicht – weder sich selbst noch anderen gegenüber.
© Foto: S. Hopf
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