624 Einwohner zählt die kleine Hafenstadt Akaroa auf der Südinsel Neuseelands, berühmt für ihr gemütliches Flair und ihre Leidenschaft für gutes Essen. Um die einzigartige und urige Atmosphäre des kleinen Ortes sorgen sich die Einwohner derzeit immer mehr, denn der Tourismus scheint vieles verändert zu haben.
Nach dem Erdbeben 2011 in der Nachbarstadt Lyttelton fiel dieser Hafen als Anlegestelle für Schiffe aus, welche seitdem stattdessen in Akaroa anlegen und die Passagiere dort an Land gehen. 154 000 Menschen von 77 Kreuzschiffen wurden für die letzte Saison 2016/17 von Oktober bis April vorausgesagt. Eine immense Zahl bei einer solch geringen Einwohnerzahl.
Durch das vermehrte Anlegen der Schiffe in den letzten Jahren, strömen während der Saison tagsüber massenweise Touristen in den Ort, auf der Suche nach Souvenirs, Sehenswürdigkeiten und lokalen Restaurants. Einheimische Einwohner bezeichnen es manchmal sogar als eine Art „Zombie Invasion“, wenn die Touristen über die Kleinstadt herfallen. “The newly-wed, the over-fed and the half-dead.” (dt.: die frisch Verheirateten, Übergewichtigen und Halbtoten), wie sie ein Anwohner zu nennen pflegt.
Während die einen vom Massentourismus profitieren und ihm Positives abgewinnen können, sehen die anderen die Idylle der Kleinstadt in Gefahr.
Mike Norris und seine Frau Patsy Darts, ein einheimisches Ehepaar, empfinden die Stadt als hektisch und überlaufen sobald ein Kreuzfahrtschiff am Hafen anlegt um seine Passagiere für ein paar Stunden “abzuwerfen”. Sie fürchten, dass die großen Kreuzfahrt-Unternehmen ihren kleinen Ort nach dem Service-Angebot und Dienstleistungen an Bord formen werden, und somit das besondere Flair verloren geht.
„Manche der französischen Spezialitäten-Läden, in denen wir gerne Zeit verbrachten, sind jetzt Touristen-Shops“ , berichtet Norris, der auch Vorsitzender des Kulturgremiums ist.
Die Instandhaltung von Infrastruktur, mehr öffentliche Toiletten sowie die Errichtung eines neuen Gesundheitszentrums sind weitere Kritikpunkte der Bürger – wer soll dafür aufkommen? Zur Debatte steht hier eine 5$ Steuer für Kreuzfahrt-Passagiere, um bei der Entwicklung und Instandhaltung der Infrastruktur der Stadt beizutragen.
Doch nicht alle blicken dem Tourismus negativ entgegen. Im Gegenteil – einige profitieren sogar von dem großen Ansturm der Menschen.
Ray Shoebridge, ein leidenschaftlicher Segler, bietet Touren auf seinem einmastigen Segelboot für Touristen an und verdient damit seinen Lebensunterhalt – gerade genug um „den Kopf über Wasser zu halten“ wie er es selber erzählt. Das Interesse und die Begeisterung der Menschen zu sehen, bereichern sein Leben.
Auch Pauline Woodward, eine Einwohnerin, die auf ehrenamtlicher Basis Passagiere willkommen heißt, die von Bord gehen, ist froh für „ihr“ Akaroa werben zu dürfen. „Viele sehen die Schuld bei den Kreuzfahrtschiffen, doch sie sind nach einigen Stunden auch wieder verschwunden.”
“Schlimmer sind die Freicamper, die sich nicht beherrschen können und den Busch für alles benutzen.“
Nach dem Wiederaufbau des Lytteltoner Hafens, welcher ab sofort wieder als Anlegestelle angesteuert werden kann, wird sich bald zeigen welche Richtung der Tourismus-Boom in Zukunft einschlägt und ob eine gewisse Balance zwischen Tourismus und einheimischer Tradition bewahrt werden kann.
Text: www.nzherald.co.nz
© Foto: Christchurch Canterbury Tourism
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