Nachdem ihr im ersten Blog lesen konntet, warum ein Australier überhaupt auf die Idee kommt, ein Work & Travel Jahr in Deutschland zu machen, erfahrt ihr dieses Mal etwas mehr über den bürokratischen Rattenschwanz, der sich an ein solch ambitioniertes Vorhaben anschließt – vor allem, wenn das Ziel Deutschland heißt.
Ist der Weg zu einer „Ferienarbeitsaufenthaltserlaubnis“ genauso lang wie das eigentliche Wort es vermuten lässt? Oder schafft es die Verwaltung unseres Landes, sich auch einmal kurz zu fassen? Ich jedenfalls befürchtete das Schlimmste. Corey hingegen, durch und durch australisch-stressfrei veranlagt, ging die ganze Sache etwas entspannter an.
Im März diesen Jahres war sich Corey genau einer Sache sicher – er wollte zu seinem Geburtstag, dem 07.08 hier in Berlin sein. Immerhin – er hatte ein Ziel vor Augen. Nur bewegte er sich anfangs sehr langsam auf dieses Ziel zu. Nicht etwa, weil er kalte Füße bekam, sondern weil er sich in seiner „No worries“-Mentalität einfach keine Platte machte, wie wir hier in Berlin sagen. „Don’t stress, Schatz“ wurde zu seinem liebsten Satz in meiner Gegenwart.
Ende Mai bahnte sich das Deutsche in mir schließlich den Weg frei und machte Corey ordentlich Dampf unter den Füßen. Ich bat ihn, wenigstens schon den Flug zu buchen. Er tat dies noch am gleichen Tag – die Waffen der Frauen eben. Der erste Schritt war gegangen. Der zweite sollte sogleich in Form des Visaantrages kommen. Australier können grundsätzlich ohne jegliches Visum nach Deutschland einreisen. Wer hier arbeiten oder studieren möchte, hat drei Monate Zeit, bei der Ausländerbehörde vorstellig zu werden. Bei der Aussicht weißer Gänge, endloser Wartenummern und niederschmetternder Stempel begann das Herz nicht gerade zu hüpfen.
Wir wählten den australischen Vorab-Weg. Dieser führte Corey ins Deutsche Konsulat nach Sydney. Wer von euch jetzt denkt, dass geschieht alles online, der hat eine zu moderne Vorstellung von Deutschland. Zwar musste Corey nicht persönlich in Sydney erscheinen, aber er hatte sämtliche Dokumente im Original per Post in die Metropole zu schicken. So begab sich sein Visaantrag samt Pass, biometrischem Foto, Flugticket sowie die bereits gebuchte Reiseversicherung und ein aktueller Bankauszug mit „ausreichend Guthaben“ auf nach Sydney.
Das Warten begann.
Die Hoffnung war groß, dass die deutsche Vertretung in Australien schneller als die buckelige Ämter-Verwandtschaft in der Heimat arbeitet. Ich machte meine Däumchen trotz allem Optimismus auf emsiges Drehen bereit. Zu unserer großen Freude hatte Corey innerhalb einer Woche seinen Pass inkl. Visum im Briefkasten! Und eines muss man den Deutschen lassen: Online & papierlos hin oder her. Ein eingeklebtes Visum im Pass ist schon irgendwie aufregender als eine ausgedruckte Emailbestätigung.
Die Voraussetzungen für eine „Ferienarbeitsaufenthaltserlaubnis“ sind jedenfalls (fast) die gleichen wie die eines australischen Work & Travel Visums. 18-31jährige können sich für ein solches Visum bewerben. Es kostet 60€, ist für ein Jahr gültig und kann nicht verlängert werden. Im Gegensatz zum australischen Pendant darf man bis zu zwölf Monate beim gleichen Arbeitgeber tätig sein.
Das Ziel rückte also näher. Während Corey seine letzten Tage in Sea Lake über die Runden brachte, schlug ich mich derweil mit dem verbleibenden Rattenschwanz herum. Ich schloss einen Handyvertrag ab, meldete ihn bei meiner Wohnungsgenossenschaft als Mitbewohner an und befasste mich mit dem deutschen Bankensystem. Mir schwante, dass die Eröffnung eines deutschen Bankkontos für einen Ausländer nicht so einfach werden wird, wie es in Australien der Fall ist. Damals war die wichtigste Frage meiner Kontoeröffnung die Farbe meiner Kreditkarte.
Ich schrieb und rief also querfeldein Banken an und bekam zumeist die gleiche, ernüchternde aber so gar nicht überraschende Antwort: Da sie nicht in der Lage seien, eine Schufa-Auskunft eines Australiers einzufordern, könnten sie ihm leider kein Bankkonto anbieten. Wohl auch keines auf bloßer Guthabenbasis, wodurch ja eigentlich eine Kreditwürdigkeitsprüfung entfällt. Aber auf diesen Teil meiner Anfragen gingen sie erst gar nicht ein. Ein Kreditinstitut wollte Corey immerhin ins Private Banking befördern. Wahrscheinlich haben die Angestellten von dem Mining-Boom in Down Under gehört und witterten sogleich die Chance, mit diesem Australier eventuelle Verluste aus der Finanzkrise auszugleichen.
Die Ausländerbehörde konnte mir bezüglich einer Kontoeröffnung keine Auskunft geben; da müsse ich mich schon mit den Banken in Verbindung setzen. Dankeschön, Deutschland – schön den Traveller in den deutschen Bürokratensumpf schubsen und ihm nur nach hitzigen An- und Rückfragen einen Ast reichen. Letztendlich unterbreitete mir meine Hausbank, ein Gemeinschaftskonto für Corey und mich einzurichten. Im Zweifelsfalle hätten sie ja mich als haftende Person. Und so behalte ich den Überblick über seine Ausgaben. Auch nicht verkehrt.
Das größte Kopfzerbrechen bereitete mir der bevorstehende Besuch beim Bürgeramt. Für den Work & Traveller ist die erste Tat in Deutschland das Nummernziehen und stundenlanges Warten in überfüllten Wartehallen, nur um sich auf deutschen Boden anzumelden.
Bereits im Vorhinein erkundete ich mich beim Bürgeramt, welche Dokumente Corey einreichen bzw. mitbringen müsse. Er benötige ein Anmeldeformular, seinen Pass und seinen Aufenthaltstitel, so die knapp verfasste Auskunft der Bürgeramt-Servicedame. Als ich sie zurück fragte, ob sie mit Aufenthaltstitel den Visumsbescheid meint, war sie anscheinend gänzlich verwirrt und schrieb zurück, ob er denn nicht einen solchen Aufenthaltstitel brauche. Wer stellt eigentlich hier die Fragen? Auf mein letztes Anliegen, ob Corey denn seine Geburtsurkunde für die Anmeldung benötigt, gab die Dame vom Bürgeramt ein aussagekräftiges „wenn er mag“ von sich.
Mit diesem qualitativ wertvollen Vorwissen gingen Corey und ich also am Folgetag seiner Ankunft ins Bürgeramt. Zu unserer großen Überraschung waren wir fünf Minuten später wieder entlassen – und das erfolgreich. Nachdem der Bürgeramtsmitarbeiter fasziniert die bunten Bilder im australischen Pass bewundert hatte, druckte er uns auch schon die Anmeldebestätigung aus. Demnächst müsste Corey aus Bonn seine Steuer-Ident-Nummer zugeschickt bekommen. Denn ohne Anmeldung im Bürgeramt keine Steuernummer. Und ohne Steuernummer kein Job.
So viel zum aktuellen bürokratischen Stand der Dinge. Die schlimmsten Gänge in deutsche Ämter sind erledigt, einige wie der zum Finanzamt stehen noch aus. Wir werden sehen, was uns das administrative deutsche Dickicht noch so alles vor die Füße wirft. Der nächste wichtige Schritt für Corey ist jetzt erst einmal, unserer deutschen Sprache auf den Grund bzw. Ton zu gehen. Über seine diesbezüglichen Schulnoten in der Sprachschule gibt es dann beim nächsten Mal mehr.
See ya, Steffi & Corey.
Also ganz ehrlich, schon das ganze Bürokratische vor Augen würde mir schon die Lust vergehen, aber Liebe beflügelt einen eben. Die Hauptsache ist, das Corey sich nicht das ganze Stressverhalten zu eigen macht, das den Deutschen, zumindest den Großstaedtern, ja schon fast in die Wiege gelegt wird. Soll er mal sein entspanntes Wesen, das Du so schön beschreibst, ganz doll festhalten. Sofern die bürokratischen Wirren entwirrt sind, hoffe ich doch, das er fleissig und schnell der deutschen Sprache mächtig wird und auch die anderen Seiten von Deutschland entdecken kann. Soweit also erst einmal Glück auf den weiten Weg und Euch beiden Abenteuerlust, Kampfgeist und Ideenreichtum für alles noch Bevorstehende. Lässt Euch nur nicht unterkriegen, aber eigentlich ist das ja eher nicht zu befürchten ;)
Also bis dahin – bin gespannt, wie es weitergeht, ist echt eine nette und interessante Lektüre.
Sabine
Ich muss meinen Kommentar auch noch abgeben.
Ich liebe Deine kleine ironische Art zu schreiben, aber das weißt Du.
Freu mich auf den nächsten Artikel.
Mum
…und, wie ging es weiter?
Liebe Steffi.
Ich bin im November mit meinem Australischen Freund auch für ein Jahr nach Deutschland gekommen und wir müssen uns durch den gleichen Bürokraten Dschungel schlagen. Einfach Wahnsinn.
Ich hab noch sooo viele Fragen und fände es super, wenn wir in Kontakt kommen könnten um uns auszutauschen.
Liebe Grüße aus Frankfurt
Johanna
Dann sind es also schon einmal zwei Aussie-Backpackers in Deutschland. :) Schaffen wir noch mehr? …
Hallo Steffi,
bin über den heutigen Spiegel-online – Artikel auf Deinen Blog gestoßen. Zusammen mit einem Kompagnion betreibe ich hier in Berlin seit Jahren eine Eisdiele. Dort brauchen wir jede Saison Aushilfen für den Verkauf oder aber auch für die Produktion. Dieses Jahr wollten wir einmal die “Work & travel” und die “Erasmus-Studenten” ansprechen. Bei der Recherche, ob es für einen Studenten aus einem Land außerhalb Europas auch die Möglichkeit des “Work & Travel” in Deutschlang gebe, wurde dies von den hiesigen Agenturen strikt verneint. Dies sei arbeitsrechtlich gar nicht möglich, sagten mir übereinstimmend die Mitarbeiter mehrerer deutscher Work & Travel – Büros.
Nachdem ich den obigen Artikel gelesen habe, weiß ich nun, dass diese Möglichkeit offenbar doch besteht – vielen Dank für Deine Informationen.
Vielleicht kannst Du mir, oder aber auch ein anderer Leser dieses Blogs, einen Tip geben, wo ich sinnvoller Weise unser Jobangebot für die Work & Traveler plazieren kann. Gibt’s ein Forum, eine Website o.ä.?
schöne Grüße
Udo Schmidt
Berlin Homemade Icecream
info@leckmich.it
Das freut mich wirklich sehr, dass ich dir eine “zuverlässigere” Auskunft geben konnte als
so manches Work & Travel Büro ;). Wie gesagt – klappen tut das Working Holiday Jahr in Deutschland auf jeden Fall, nur mit
ein wenig mehr Einsatz gegenüber unseren Ämtern…