Vielen Backpackern in Australien reicht ein Jahr Aufenthalt längst nicht aus. Die Möglichkeit, nach drei Monaten Farmarbeit ein weiteres Jahresvisum zu erhalten, steht deshalb bei vielen von ihnen ganz oben auf dem Programm. Doch genau das nutzen viele Farmer aus, die ihre Angestellten zu schlecht bezahlen oder in unterdurchschnittlichen Behausungen unterbringen.
Er klingt schön, dieser Traum. Zwei Jahre lang Tourist sein in Australien. So viel Zeit um jedes Eck zu erkunden, jedes Highlight zu entdecken, das die riesige Insel zu bieten hat.
Wer mit dem subclass 417 Working Holiday Visum ein Jahr als arbeitender Tourist in Australien unterwegs ist und sich in dieser Zeit in Land und Leute verliebt hat, bekommt genau diese Möglichkeit.
Nun wird einem ein zweites Jahr „Urlaub“ natürlich nicht hinterhergeworfen, es braucht schon eine gewisse Willensstärke, um auch das begehrte 2. Working Holiday Visum zu ergattern.
Nur wer vorweisen kann insgesamt 88 Tage, bzw. drei Monate Vollzeit in der Landwirtschaftsbranche gearbeitet zu haben, darf ein zweites Jahr Down Under bleiben.
In den häufigsten Fällen wählen junge Backpacker hierfür Fruit Picking Jobs. Sie nehmen es in Kauf, unbeliebte und von den meisten Australiern gar verabscheute Knochenjobs in stundenlanger, praller Hitze zu übernehmen, um den eigenen Reisedurst irgendwann stillen zu können.
Leider wird genau dieser starke Wille, die gesetzlich vorgegebene Farmarbeit für ein zweites Visum abzudienen, nur zu gerne von australischen Arbeitgebern missbraucht.
Immer wieder wird festgestellt, dass einige Farmer die Verzweiflung vieler Work & Traveller, die neben den Sorgen um ein 2. WH-Visa auch oft mit finanziellen Mängeln zu kämpfen haben, schamlos ausnutzen.
Wir haben im Reisebine Blog schon mehrfach über mangelhafte Zustände in der Farmjobbranche berichtet. Aber nicht nur die betroffenen Länder, aus denen Backpacker nach Australien reisen um dort teils wie Sklaven behandelt zu werden, machen auf das Problem aufmerksam.
Auch die Australische Newsplattform ABC berichtete bereits über Work & Traveller, die teils mit Misshandlung, Belästigung und Ausbeutung auf den Farmen leben müssen.
Es sind aber nicht nur die offensichtlichen Straftaten, denen Backpacker teils schutzlos ausgeliefert sind. Im jüngsten ABC Bericht wird erläutert, dass die jungen Leute regelmäßig übers Ohr gehauen werden, indem sie ihre eigenen Standards auf ein Minimum herabsetzen.
Von angeblich guter Bezahlung gelockt finden sich viele der Arbeiter plötzlich in übermäßig verdreckten, winzigen oder überfüllten Unterkünften wieder. Für dessen Miete müssen sie zusätzlich einen Großteil ihres verdienten Lohns direkt wieder abgeben.
Zu allem Überfluss wird der versprochene Stundenlohn oft stark herabgesetzt, proportional dazu steigen die Wochenstunden, die abgearbeitet werden sollen. So kommt es vor, dass aus einem zugesicherten Stundenlohn von 21 AU$ und 36 Wochenstunden plötzlich 7 AU$ pro Stunde und 48 Wochenstunden werden.
Um ihr Gehalt zu erhöhen sollen die Backpacker dann auch noch so schnell wie möglich arbeiten. Eine bestimme Anzahl von Körben mit Früchten füllen zum Beispiel. Meistens ist das für die jungen Reisenden schier unmöglich oder führt selbst nach Wochen zu einem kaum steigenden Gehalt.
ABC zeigt mehrere Fälle von betrogenen Work & Travellern auf. Die Britin Sophie Ferrier beispielsweise erzählt von ihrer Erfahrung auf einer Fruit Picking Farm, auf der sie 21 AU$ pro Stunde verdienen sollte. Für ihre Unterkunft zahlte sie 120 AU$ pro Woche.
Im Endeffekt durfte sie nur wenige Stunden pro Woche arbeiten, weshalb ihr nach drei Monaten weniger als 2000 AU$ Verdienst und nur 28 von 88 benötigten Arbeitstagen blieben. Verschwendete Zeit für die junge Touristin.
Wer sich fragt, warum die Backpacker nicht einfach früher von solchen Farmen abreisen und sich einen besseren Job suchen, dem sind die gewieften Farmer schon zuvorgekommen.
Wie in Sophies Fall nehmen die Arbeitgeber nämlich eine Art Kaution bevor sie Work & Traveller einstellen, hier beispielsweise 250 AU$, die diese erst nach erfülltem Vertrag zurückbekommen.
Die oft schon vermögensarmen Arbeiter können es sich meist einfach nicht leisten, ohne ihre Kaution und ohne Plan B abzureisen. Das verlockende 2. Working Holiday Visum macht die unerfahrenen Touristen einfach zu äußerst leichten Opfern.
Auch die deutsche Backpackerin Johanna Kiessling hatte mit einem harten Schicksal zu kämpfen. Bei einem Job in Queensland zahlte sie 200 AU$ Unterkunftsmiete bei einem 7 AU$ Stundenlohn.
Ihre Behausung war nach dem was sie gehört hatte noch recht in Ordnung, da es immerhin eine Stromversorgung gab. Anscheinend nicht selbstverständlich in dieser Branche, in der Bed Bugs und die hohe Miete der Deutschen noch als kleineres Übel erschienen.
Nun könnte man meinen, die Australier lasse es kalt, was ausländischen Arbeitern auf ihren Farmen angetan wird. Das ist glücklicherweise nicht so, im Gegenteil. Sie werden eher immer hellhöriger, was die Berichte von ABC bezeugen.
Einige Einwohner sind wirklich erzürnt. Wohlwissend, dass das ganze deutlich mehr Aufsehen erregen würde, wären es junge Australier, die ausgenommen und manipuliert werden.
Fair Work Ombudsman (FWO), zu deutsch etwa die Bürgerbeauftragten für faire Arbeitsbedingungen haben eine eigene Kampagne gestartet, die auf die schlechten Arbeitsbedingungen bei Farm Jobs hinweisen soll.
Die Mitarbeiter kennen das Problem und unterstützen Backpacker sowie Farmer, um ein gleichermaßen faires Arbeitsklima zu schaffen.
Ein Sprecher der National Farmers’ Federation empfiehlt Work & Travellern, die sich hinsichtlich ihrer Bezahlung oder Lebensbedingungen auf einer Farm schlecht behandelt fühlen, unbedingt das FWO zu kontaktieren. Nur so können die einzelnen Betrüger filtriert und zur Rechenschaft gezogen werden.
Quellen: www.abc.net.au/news/2015-05-04 , www.abc.net.au/news/2016-09-18
© Foto: Sebastian Hopf
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