Millennials machen sich in Australien nicht gerne die Hände schmutzig. Was vor 5 oder 10 Jahren der wohl üblichste Job unter den Backpackern war, scheint nun eher zweite Wahl: Fruitpicking. Während Backpacker lieber im sauberen Café den Cappuccino anrühren, leidet die australische Landwirtschaft.
Millennials zu zimperlich?
Das Abenteuer Australien ist zum Abenteuerchen geworden. Stimmt das? Wenn es nach den australischen Farmern geht wohl schon. Während Fruitpicking als der Backpacker-Job galt, mit dem junge Menschen (sich) ihr eigenes Durchhaltevermögen mit körperlichem Einsatz und Willensstärke beweisen konnten, überlegen sie heute zweimal, ob sie sich aus der großen Stadt wagen.
Oft weit abgelegen befinden sich die riesigen Felder, die geerntet werden möchten. Obstanbauer und Farmer stellten für diese Arbeit jahrzehntelang Work & Traveller ein, die sich ihre Reisekasse mit dem Pflücken und Ernten von Birnen und Äpfeln aufbesserten. Ein perfekter Deal, denn die saisonabhängige Arbeit ist sowohl für zeitgebundene Reisende als auch für die Landwirte einfach und unkompliziert. Doch nun möchte niemand mehr die Arbeit machen, oder wenn bestenfalls Fruitpicker gefunden wurden, halten sie nicht lange durch.
Sie haben keine Lebenserfahrung. Sie haben keine Arbeitserfahrung. Sie sind zu jung. Das sind die Argumente der Farmer, die an den sinkenden Zahlen der Fruitpicker verzweifeln. Und es stimmt: Nicht nur die Zahl der Working Holiday Visa ist um fast 60.000 gesunken, auch das Alter der jungen Menschen, die sich ihren Traum vom Gap Year erfüllen wollen. Mit gerade einmal 18 oder 19 Jahren zieht es viele, hauptsächlich deutsche Backpacker, in die Ferne. Ihr Hauptargument: Später mache ich das wahrscheinlich nicht mehr. Später habe ich keine Zeit mehr dafür. Später muss ich arbeiten. Jetzt oder nie.
Nun stehen die frischgebackenen Backpacker weit weg auf einem Feld im australischen Hinterland und müssen sechs bis acht Stunden täglich die Ernte für den fordernden, australischen Farmer sammeln. Gar nicht so leicht wie gedacht. Vielleicht ist ein Job in der Stadt einfacher.
Zu viel schlechte Publicity?
Doch wir leben im Informationszeitalter. Das wissen auch die Millennials. Es wird viel recherchiert bevor die große Reise beginnt. Jobmöglichkeiten werden auf die Waage gelegt. Und dann sind da überall diese Artikel über die Ausbeutung von Backpackern bei der Farmarbeit. Die Negativbeispiele verbreiten sich in Backpacker-Kreisen wie ein Buschfeuer.
Wieso soll ich mich ausbeuten lassen? Gehaltsverhandlungen mit Farmern fallen forscher aus, die Gehälter, die früher vom Farmer festgelegt waren, werden jetzt hart verhandelt, wenn es denn überhaupt zu einer Verhandlung kommt. Backpacker wollen pro Stunde bezahlt werden. In einem Job, in dem dies nicht geschieht, fühlen sie sich betrogen. Dieses Phänomen könne man insbesondere bei den jüngsten Backpackern finden, die geradezu Angst vor der Ausnutzung ihrer scheinbar unbezahlbaren Arbeitskraft hätten. Beobachtet der Farmer sie auf dem Feld, stellt er allerdings zu seinem Entsetzen nur eines fest: Die wenigsten halten lange körperliche Arbeit durch, können gar nicht oder nur selten die vorgegebene Menge an Früchten ernten und scheuen schlichtweg jegliche Form von persönlichem und körperlichem Einsatz.
Die Einstellung der Backpacker hat sich um 180 Grad gedreht. Und sie reisen mit einer förmlich vorprogrammierten Angst. Selbst das Hautkrebs-Risiko wird als Grund angegeben, um der körperlichen Arbeit zu entfliehen, die sie bisher nie in ihrem Leben bewältigen mussten, doch für die sie überdurchschnittlich entlohnt werden wollen. Von ihren (Helikopter-) Eltern werden sie nur ermutigt. Niemand holt sie auf den Boden der Tatsachen.
Wer hat Schuld?
Fruitpicking hat ohne Frage einen schlechten Ruf. Zu viele Negativbeispiele wurden bis ins kleinste Detail auseinandergenommen. Zurecht, denn die Ausbeutung von jungen Backpackern ist keine Tatsache, die so einfach unter den Tisch gekehrt werden sollte. Die Angst ist nicht ganz unberechtigt, doch ist sie in den meisten Fällen tatsächlich vollkommen übertrieben.
Was die älteren Backpacker oftmals mit einer Priese Lebenserfahrung und einer gesunden Selbsteinschätzung lösen können, ist für Millennials nicht so einfach. In ihrem jungen Alter und mit oftmals keiner Arbeitserfahrung können viele sich und ihre Leistungen nur schwer selbst einschätzen.
Doch wer hat nun Schuld? Die frischgebackenen Abiturienten, die es in die große weite Welt zieht? Oder der schlechte Ruf der Farmarbeit, die alle jungen Backpacker in die Stadtcafés verdrängt, wo sie sicher und geborgen ihrer 9 bis 17 Uhr Beschäftigung nachgehen können? Oder die Helikoptereltern, die ihre Kinder auf Sicherheit drängen? Sicher ist jedoch: Die australische Regierung hat das Problem erfasst. Sicherheit und stabile Arbeitsbedingungen in der Farmwirtschaft sollen zukünftig verbessert werden. Nun kann man nur hoffen, dass auch junge Backpacker etwas unverfangener in ihr Australienabenteuer starten oder sich mit 18 Jahren einfach sagen: Mein Gap Year kann noch ein bisschen warten.
Quelle: The Weekly Times
© Foto: Andrew Welch via Unsplash
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